Unfall in der Türkei – was tun?

Inhalt

Das Wichtigste im Überblick

Bei einem Verkehrsunfall in der Türkei ist schnelles und korrektes Handeln entscheidend. Nach einem Unfall gilt: sofort anhalten, Warnweste anlegen, Unfallstelle sichern und Verletzten helfen. Bei Personenschäden sollten Sie immer die Polizei (155) und Rettungskräfte (112) rufen. Dokumentieren Sie den Unfall umfassend – fotografieren Sie die Schäden, den Unfallort und tauschen Sie Kontaktdaten mit allen Beteiligten aus. Bei größeren Schäden empfiehlt es sich, direkt beim nächsten türkischen Amtsgericht ein Feststellungsgutachten zu beantragen. Dies vereinfacht die spätere Schadensregulierung erheblich und hat mehr Beweiskraft als private Gutachten

Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall in der Türkei folgt besonderen Regeln. Nach türkischem Recht haftet die Haftpflichtversicherung mit bestimmten Mindestdeckungssummen, die deutlich niedriger sind als in Deutschland. Schadenersatzansprüche verjähren nach zwei Jahren, und Schmerzensgeldforderungen müssen direkt an den Halter oder Schädiger gestellt werden. Die meisten türkischen Versicherungen akzeptieren deutsche Reparaturrechnungen nicht vollständig, und Gutachterkosten werden in der Regel nur für türkische, nicht aber für deutsche Gutachter erstattet.

Unfall in der Türkei

Die Türkei zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen für deutsche Touristen. Viele entscheiden sich dafür, das Land mit dem Mietwagen zu erkunden oder reisen mit dem eigenen Fahrzeug an. Allerdings erreicht die Verkehrssicherheit in der Türkei noch nicht das Niveau der meisten europäischen Staaten, was das Unfallrisiko erhöht.

Ein Verkehrsunfall im Ausland stellt Betroffene vor besondere Herausforderungen: Sprachbarrieren, unbekannte rechtliche Regelungen und die Frage nach der korrekten Vorgehensweise können die Situation zusätzlich erschweren. Dieser Leitfaden soll deutschen Urlaubern und in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen helfen, im Fall eines Unfalls in der Türkei richtig zu handeln und ihre Rechte wahrzunehmen.

Rechtliche Grundlagen verständlich erklärt

Geltendes Recht bei Unfällen in der Türkei

Bei Verkehrsunfällen in der Türkei gilt grundsätzlich türkisches Recht. Eine wichtige Ausnahme besteht nur dann, wenn sowohl der Unfallverursacher als auch der Geschädigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt (z.B. Wohnsitz) in Deutschland haben – in diesem speziellen Fall kann deutsches Recht anwendbar sein.

Das türkische Straßenverkehrsgesetz verpflichtet jeden Fahrzeughalter, eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen, bevor ein Motorfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt wird. Diese Regelung findet sich in Artikel 91 des türkischen Straßenverkehrsgesetzes und gilt auch für ausländische Fahrzeuge, die am türkischen Straßenverkehr teilnehmen.

Versicherungspflicht und Deckungssummen

Seit dem 1. Januar 2013 haftet die türkische Kfz-Haftpflichtversicherung. Für Verkehrsteilnehmer aus Deutschland ist wichtig zu wissen, dass diese Deckungssummen deutlich niedriger sind als die in Deutschland üblichen. Bei schweren Unfällen mit erheblichen Schäden kann dies problematisch werden, da der Geschädigte den über die Versicherungssumme hinausgehenden Schaden direkt beim Unfallverursacher geltend machen muss.

Verjährungsfristen für Ansprüche

In der Türkei verjähren Schadensersatzansprüche gegen den Halter und die gegnerische Versicherung nach zwei Jahren ab dem Unfalldatum. Sollte dem Unfall zusätzlich eine Straftat zugrunde liegen, kann sich die Verjährungsfrist entsprechend verlängern.

Hauptaspekte und wichtige Teilbereiche

Sofortmaßnahmen am Unfallort

Nach einem Verkehrsunfall in der Türkei gilt wie international üblich:

  1. Anhalten und Unfallstelle sichern: Fahrzeug sofort anhalten, Warnweste anlegen und Warndreieck aufstellen, um nachfolgende Verkehrsteilnehmer zu warnen.
  2. Erste Hilfe leisten: Bei Verletzten umgehend Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten.
  3. Notruf absetzen: Bei Personenschäden oder größeren Sachschäden immer die Polizei und gegebenenfalls Rettungskräfte rufen.
    • Polizei in der Türkei: 155 oder Notruf 112
    • Rettungskräfte in der Türkei: 112
  4. Unfallstelle dokumentieren: Machen Sie Fotos vom Unfallort, den beteiligten Fahrzeugen und den Schäden, bevor die Fahrzeuge bewegt werden (sofern dies die Verkehrssicherheit nicht gefährdet).

Bei kleineren Blechschäden kommt die Polizei in der Regel nicht zum Unfallort. In diesem Fall sollten die Beteiligten den Vorfall selbst dokumentieren. Bei Unfällen mit Verletzten oder größeren Sachschäden sowie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Unfallbeteiligten sollte jedoch immer die Polizei hinzugezogen werden.

Dokumentation des Unfalls

Eine sorgfältige Dokumentation ist entscheidend für die spätere Schadensregulierung:

  1. Europäischer Unfallbericht: Nutzen Sie wenn möglich den mehrsprachigen Europäischen Unfallbericht. Achten Sie auf vollständige Angaben zu allen Beteiligten.
  2. Kontaktdaten erfassen: Notieren Sie Kennzeichen, Namen und Anschriften aller beteiligten Fahrer und Fahrzeughalter sowie deren Haftpflichtversicherung und Versicherungsnummer.
  3. Zeugen: Erfassen Sie Namen und Kontaktdaten von Unfallzeugen.
  4. Fotografische Dokumentation: Fotografieren Sie die Unfallstelle aus verschiedenen Perspektiven, alle Schäden an den beteiligten Fahrzeugen sowie das Kennzeichen des Unfallgegners.
  5. Versicherungsnachweise: Machen Sie wenn möglich ein Foto vom Führerschein und dem Versicherungsnachweis des Unfallgegners.

Besonderheiten bei der Schadensregulierung nach türkischem Recht

Nach türkischem Recht können folgende Schadensersatzpositionen geltend gemacht werden:

  1. Reparaturkosten: Diese werden gemäß einer Reparaturrechnung in Höhe der in der Türkei üblichen Reparaturkosten erstattet. Deutsche Reparaturrechnungen werden oft nur dann in voller Höhe übernommen, wenn sie mit der Schadensbeschreibung im polizeilichen Unfallbericht oder der Schadensschätzung der türkischen Versicherung übereinstimmen.
  2. Totalschaden: Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden wird der durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesene Zeitwert des Fahrzeugs abzüglich des Restwertes erstattet.
  3. Mietwagenkosten: Diese werden für die technisch notwendige Reparaturdauer erstattet. Dies gilt auch für privat genutzte Fahrzeuge.
  4. Abschleppkosten: Bei nicht mehr fahrbereiten Fahrzeugen werden die Kosten bis zur nächsten Werkstatt gegen Vorlage einer Rechnung erstattet.
  5. Gutachterkosten: Die Kosten für türkische Gutachter werden in der Regel erstattet, für deutsche Gutachter jedoch nur in Ausnahmefällen.
  6. Wertminderung: Eine Wertminderung wird nur nach Bezifferung durch einen türkischen, gerichtlich bestellten Gutachter erstattet.
  7. Schmerzensgeld: Schmerzensgeldansprüche müssen direkt gegen den Unfallverursacher bzw. Fahrzeughalter geltend gemacht werden. Die Höhe des Schmerzensgeldes fällt in der Türkei meist deutlich geringer aus als in Deutschland.
  8. Verdienstausfall: Wird erstattet, sofern nicht vom Arbeitgeber oder der Krankenkasse Gehalt oder Krankentagegeld bezahlt wird.

Es ist wichtig zu wissen, dass bestimmte in Deutschland übliche Schadensersatzpositionen nach türkischem Recht nicht erstattet werden, wie beispielsweise der Nutzungsausfall oder eine allgemeine Unkostenpauschale.

Praktische Tipps für Betroffene

Vor der Reise

  1. Versicherungsschutz prüfen: Stellen Sie sicher, dass Ihre Kfz-Versicherung auch für die Türkei gilt und prüfen Sie den Umfang des Versicherungsschutzes.
  2. Internationale Versicherungskarte (Grüne Karte): Führen Sie eine gültige internationale Versicherungskarte mit.
  3. Reisekrankenversicherung: Schließen Sie eine Auslandsreisekrankenversicherung ab, die auch Unfälle einschließt.
  4. Wichtige Kontakte: Speichern Sie wichtige Notrufnummern im Handy: Polizei (155), Rettungsdienst (112), ADAC-Auslandsnotruf
  5. Europäischen Unfallbericht: Halten Sie ein Exemplar des mehrsprachigen Europäischen Unfallberichts bereit.

Nach einem Unfall

  1. Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und handeln Sie besonnen.
  2. Sprachliche Hilfe organisieren: Bei Verständigungsschwierigkeiten können Sie sich an die deutsche Botschaft oder an deutschsprachige Rechtsanwälte vor Ort wenden.
  3. Keine voreiligen Schuldeingeständnisse: Unterschreiben Sie keine Dokumente, deren Inhalt Sie nicht vollständig verstehen.
  4. Bei Streitigkeiten immer die Polizei rufen: Insbesondere bei Unklarheiten über den Unfallhergang oder bei Meinungsverschiedenheiten.
  5. Feststellungsklage erwägen: Bei größeren Schäden kann es ratsam sein, beim türkischen Amtsgericht eine Feststellungsklage einzureichen, um ein gerichtliches Gutachten zu erhalten. Dies vereinfacht die spätere Schadensregulierung erheblich.
  6. ADAC-Mitgliedschaft nutzen: ADAC-Mitglieder können die kostenlose Rechtsberatung des ADAC in Anspruch nehmen. ADAC Plus- und Premium-Mitglieder können zusätzlich die Unfall-Rechtshilfe AUSLAND nutzen.

Checkliste für den Verkehrsunfall in der Türkei

  • Unfallstelle absichern (Warndreieck aufstellen, Warnweste tragen)
  • Erste Hilfe leisten und bei Verletzten Rettungsdienst rufen (112)
  • Bei größeren Unfällen oder Unklarheiten Polizei rufen (155 oder 112)
  • Unfallbericht ausfüllen oder polizeiliche Unfallaufnahme abwarten
  • Fotodokumentation des Unfallorts und aller Schäden
  • Kennzeichen, Namen und Versicherungsdaten aller Beteiligten notieren
  • Kontaktdaten von Zeugen erfassen
  • Eigene Versicherung informieren
  • Bei Mietwagen die Mietwagenfirma informieren
  • Bei größeren Schäden am Amtsgericht ein Feststellungsgutachten beantragen
  • Schadensmeldung bei der gegnerischen Versicherung einreichen
  • Bei größeren Schäden oder Personenschäden Rechtsbeistand hinzuziehen

Handlungsempfehlung

türkische Staatsangehörige eine besondere Herausforderung darstellen. Sprachbarrieren, unbekannte rechtliche Regelungen und kulturelle Unterschiede können die Situation zusätzlich erschweren. Die wichtigsten Schritte nach einem Unfall sind eine gründliche Dokumentation, die Kontaktaufnahme mit den relevanten Behörden und Versicherungen sowie bei größeren Schäden die Hinzuziehung rechtlicher Unterstützung.

Besonders wichtig ist das Wissen um die Unterschiede in der Schadensregulierung nach türkischem Recht im Vergleich zum deutschen Recht. Die niedrigen Deckungssummen der türkischen Kfz-Haftpflichtversicherungen, die Problematik bei der Anerkennung deutscher Gutachten und Reparaturrechnungen sowie die direkte Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gegen den Unfallverursacher sind Besonderheiten, die beachtet werden sollten.

Häufig gestellte Fragen

Bei Unfällen mit Personenschäden müssen Sie immer die Polizei (155) und Rettungskräfte (112) rufen. Bei kleineren Blechschäden, bei denen Einigkeit über den Unfallhergang besteht, ist dies nicht zwingend erforderlich. Allerdings ist die polizeiliche Unfallaufnahme für die spätere Schadensregulierung oft hilfreich.
Ja, Sie können Ihr Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen in dem Land reparieren lassen, in dem es zugelassen ist. Die türkischen Gerichte haben dies in mehreren Entscheidungen bestätigt. Allerdings akzeptieren türkische Versicherungen deutsche Reparaturrechnungen oft nicht in voller Höhe.
Sie müssen Ihre Schadenersatzansprüche direkt bei der türkischen Versicherung des Unfallgegners anmelden. Bei Schwierigkeiten empfiehlt sich die Beauftragung eines auf internationales Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts.
Sie benötigen den Unfallbericht oder das Polizeiprotokoll, Fotos vom Unfallort und Schäden, Versicherungsdaten des Unfallgegners, Reparaturrechnungen oder Gutachten über den Fahrzeugschaden sowie bei Personenschäden ärztliche Atteste.
Deutsche Privatgutachten haben vor türkischen Gerichten keine Beweiskraft. Bei größeren Schäden empfiehlt es sich daher, beim türkischen Amtsgericht ein Feststellungsgutachten zu beantragen.
Schmerzensgeld wird in der Türkei in der Regel in deutlich geringerer Höhe als in Deutschland gewährt. Die Höhe hängt von der Art und Schwere der Verletzung ab und wird im Einzelfall durch das Gericht festgelegt.
Bei einem Unfall mit einem Mietwagen sollten Sie sofort die Mietwagenfirma informieren und deren Anweisungen befolgen. Prüfen Sie vor Antritt der Reise den Versicherungsschutz des Mietwagens und erwägen Sie den Abschluss einer zusätzlichen Versicherung.
Schadenersatzansprüche gegen den Halter und die gegnerische Versicherung verjähren in der Türkei nach zwei Jahren ab dem Unfalldatum.
Die deutsche Botschaft kann bei Verständigungsproblemen helfen und Kontakte zu deutschsprachigen Rechtsanwälten vermitteln. Sie kann jedoch nicht in das Verfahren eingreifen oder rechtliche Beratung leisten.
Fahrzeuglenker, die in einen Verkehrsunfall mit Verletzten oder Todesfolge verwickelt sind, dürfen im Zweifelsfall während der Untersuchung/Verhandlung das Land nicht verlassen. Klären Sie mit den zuständigen Behörden oder einem Rechtsanwalt, ob ein Ausreiseverbot besteht.

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